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Mittwoch, 5. November 2008
Unterforderung ist schlimmer als Überforderung. Endlich, endlich, endlich komme ich irgendwo hin, wo es nicht nur renoviert, sondern auch digitalisiert ist. In der Schule war ja schon das verschicken von einem Handout an den Klassenlehrer ein viel zu komplizierte Sache. Hier laufen 90% aller Dinge übers Netz. Allerdings merke ich auch, dass ich durch meine jahrelange Abneigung gegen Powerpointpräsentationen nicht 100% vorbereitet bin. Die Abneigung entstand durch unglaublich schlecht gemachte Teile meiner Mitschüler. Ich griff hingegen immer zu Folie und Folienstift. Selbst bei meiner Facharbeitspräsentation hatte ich 6 Folien dabei. Allerdings gehört Power Point eher zu den einfachen Dingen, die man am PC machen kann. Wie Word-Dokumente schreiben oder sich für Veranstaltungen eintragen. Es werden aber dennoch für alle drei Sachen Kurse angeboten, für Power Point und Word bekommt man sogar ECTS-Punkte. Was sich allerdings nicht geändert hat ist die Pflicht Veranstaltungen zu besuchen, die niemandem was bringen. Man kann zwar immer noch nicht hundertprozentig das machen, was man will, aber man kann schon mal hundertprozentig Dinge nicht machen, die man nicht machen will. Handels- und Wirtschaftsrecht studieren zum Beispiel. Außer folgendes. Das möchte man nicht machen, muss aber. Es wurde für uns das Modell 4 Schritte+ im Professionalisierungsbereich erfunden. Da lernt man in einem Tutorium zu 50% Dinge, die man locker nach der 10. drauf hat. Wie man ein Referat hält zum Beispiel. Oder wie man seinen Kram organisiert bekommt. Oder wie man sich ein Buch ausleiht. Oder dass das Internet ein weiser alter Magier ist, von dem man nicht weiß ob er gut oder böse ist. Ich empfinde diese Tutorien eigentlich als Paradoxon. In ihnen sagen sie uns jedes Mal, dass Uni etwas ganz anderes als Schule sei. Aber von der Uni bekommt man einen Kurs aufgedrückt, in dem man grundlegende schulische Dinge lernt, die man an der Uni anwenden soll. Wer aber mit der Erstellung eines Referats keine Probleme hat und den Unterschied zwischen Lexikon und Rezensionen kennt, verschwendet 180 Minuten für frustrierende Langeweile. Und dann sind die Tutoren erzürnt, wenn man einen Text nicht gelesen hat, der sich mit dem Mysterium Bücherausleihe beschäftigt. Das Ausleihen von Büchern liegt nämlich teilweise in der Hand des alten, weisen Magiers, von dem man nicht weiß ob er gut oder böse ist. Heute haben wir übrigens Mittel zur Textgliederung verglichen: Mind-Map, Markierungen, Gliederung usw. Vielleicht lernen wir nächste Woche endlich was man tut, wenn der Kugelschreiber leer ist und wie man seine Hausaufgaben in sein Hausaufgabenheftchen schreibt. Für die Auferlegung dieser Sinnlosigkeit gibt es immerhin 2 ECTS-Punkte pro Tutorium. Ich fühle mich ein bisschen an dieses nutzlose Seminarfach in der Oberstufe erinnert. Da wusste auch keiner was man damit sollte. Aber man musste es machen. Das hat jedoch ärgerlicherweise nicht automatisch im Abi gezählt, sondern man konnte es noch einbringen (Ich hatte glück, weil ich am Minimum der Kursbelegung kratzte und alles Mögliche eingebracht habe. Einen Gymnastikkurs z.B.). Bildungswege. Zum ersten Mal seit dem Kindergarten komme ich in eine Institution die renoviert ist. Bisher wurde ich von dem Fluch verfolgt, dass nach meinem Abgang von einer Schule diese immer irgendwie erträglicher gemacht wurde. Es fing mit der Grundschule an. Wahrscheinlich wurde dort mein großer Schulhass geprägt. Damals langweilte ich mich oft, störte demzufolge den Unterricht und war schon nach der 2. Klasse unbeliebt bei meiner etwa 90jährigen Klassenlehrerin. Mein Unverständnis für schulische Ungerechtigkeit muss hier irgendwann entstanden sein. In der 4. Klasse schwänzte zum ersten Mal. Nämlich die Blockflöten-AG. Ich hatte keine Lust und den sommerlichen Tag mit Freunden zu verbringen erschien mir eindeutig interessanter. Da meine Fähigkeiten im schulischen Betrug jedoch wie ich in den Kinderschuhen steckten, wurde ich erwischt und aus der Blöckflöten-AG rausgeworfen. Der Niedergang meiner musikalischen Karriere war mir weniger wichtiger als mein gekränktes Ego. Das sollte mir nicht noch einmal passieren: Meine Karriere als Leistungsnachweis-Felix Krull begann.* Die Grundschule war auch schuld an meinem bis heute andauernden Hang zur Verspätung. Da unser Garten nur durch den Garten unserer Nachbarn von der langweiligen Rasenfläche hinter der Schule getrennt war, betrug mein Schulweg von unserer Haustür bis zu meinem Platz etwa eine Minute. Demzufolge stand ich auch immer später auf und gewöhnte mir das Frühstücken ab. Als mein Werdegang mich dann zur Orientierungsstufe verschlug wurde genau in den Sommerferien zwischen der 4. und 5. Klasse die langweilige Rasenfläche hinter der Schule in ein großartiges Actionparadies mit Weidenbaumzelten, Holzpfählen, Hügeln und sonstigem Schnickschnack umgewandelt. Wichtig ist noch zu erwähnen, dass ich in Mathe und Sport damals fast durchgehend eine 2 hatte. In Sport sogar einmal eine 1. Mein Schulhass konnte sich im Laufe der OS-Zeit nicht zurückentwickeln. Meine neue Klassenlehrerin und ich lehnten uns gegenseitig ab, es blieb in dieser Hinsicht beim alten. Einzige nennenswerte Betätigung lag beim Tischtennisspielen in den Pausen, wobei unsere Klasse die Vormachtsstellung der Tischtennisplatte inne hielt. Der Klassenraum lag direkt neben dem Ausgang, die Tischtennisplatte direkt vor der Tür. Wir waren also als erstes da. Effizienzdenken in der Wegeplanung entstand. Ich schwamm auf der Welle der damaligen Trends mit und probierte mich im Pokémonkartensammeln, Diddlblättertauschen und Center Shock-Essen. Center Shocks finde ich heute noch ganz okay, bei den anderen Sachen war mir der Aufwand, den man betreiben musste um halbwegs eine Sammlung zusammenzuhaben, irgendwie zu groß. In dieser Zeit manifestierten sich meine Knieprobleme und ich durfte laut meinem Orthopäden nicht mehr an meiner geliebten Basketball-AG teilnehmen. Stattdessen wurde ich in den Geschenkebastelkurs abgeschoben. Großer Hass gegen cellophanverpackte Geschenkscheisse, Kitsch und gebastelte Dinge ohne Sinn bildeten sich aus. In dem dreiteiligen A bis C-System der Fächer Englisch und Mathe wurde ich in den Englisch-B- und Mathe-A-Kurs gesteckt. Letzteres ist mein lebenslanger Nachweis dafür, dass mir die Grundrechenarten doch sehr geläufig sind. Im Englisch-B-Kurs schrieb ich die erste 5 meiner Schullaufbahn. Am Ende der OS bekam ich eine Realschulempfehlung. Mein Ego verweigerte aber den Besuch der Mittelschule und so kehrte ich gegen den Willen meiner Klassenlehrerin ins Gymnasium ein. Zwischen der 6. und 7. Klasse wurden irgendwelche Fachräume an der Schule renoviert, leider hab ich vergessen welche. Den Großteil der folgenden Gymnasiumszeit kann man hier nachlesen. Zusammenfassung: Ich wurde Mathe- und Latein-Null, aufgrund meiner Klassenkameraden und Lehrer Misanthrop, Bestieg in Klausuren und meinem Latinum den Gipfel des Felix Krullschen Lebenswandels, lebe nach der Maxime „Nosce te ipsum“ und machte überraschenderweise Abitur. Nach dem Abitur stellte ich fest, dass das Gymnasium renoviert wird. Das Zusatzgebäude bekam ein Stockwerk mehr und der Schulleiter kündigt ab sofort mehr Bausmaßnahmen an. Jetzt komme ich an diese Uni und kann gar nicht fassen, dass hier alles renoviert ist. Hier gibt’s in beinahe jedem Raum Beamer an der Decke. In einem meiner Häupträume besteht sogar die Möglichkeit Vorlesungen über 4 Kameras aufzuzeichnen bzw. übers Internet laufen zu lassen. Und die Heizungen funktionieren, sind abschaltbar und die Fenster lassen sich auch öffnen. Wow.
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