Mittwoch, 5. November 2008

Bildungswege.

Zum ersten Mal seit dem Kindergarten komme ich in eine Institution die renoviert ist. Bisher wurde ich von dem Fluch verfolgt, dass nach meinem Abgang von einer Schule diese immer irgendwie erträglicher gemacht wurde. Es fing mit der Grundschule an. Wahrscheinlich wurde dort mein großer Schulhass geprägt. Damals langweilte ich mich oft, störte demzufolge den Unterricht und war schon nach der 2. Klasse unbeliebt bei meiner etwa 90jährigen Klassenlehrerin. Mein Unverständnis für schulische Ungerechtigkeit muss hier irgendwann entstanden sein. In der 4. Klasse schwänzte zum ersten Mal. Nämlich die Blockflöten-AG. Ich hatte keine Lust und den sommerlichen Tag mit Freunden zu verbringen erschien mir eindeutig interessanter. Da meine Fähigkeiten im schulischen Betrug jedoch wie ich in den Kinderschuhen steckten, wurde ich erwischt und aus der Blöckflöten-AG rausgeworfen. Der Niedergang meiner musikalischen Karriere war mir weniger wichtiger als mein gekränktes Ego. Das sollte mir nicht noch einmal passieren: Meine Karriere als Leistungsnachweis-Felix Krull begann.* Die Grundschule war auch schuld an meinem bis heute andauernden Hang zur Verspätung. Da unser Garten nur durch den Garten unserer Nachbarn von der langweiligen Rasenfläche hinter der Schule getrennt war, betrug mein Schulweg von unserer Haustür bis zu meinem Platz etwa eine Minute. Demzufolge stand ich auch immer später auf und gewöhnte mir das Frühstücken ab. Als mein Werdegang mich dann zur Orientierungsstufe verschlug wurde genau in den Sommerferien zwischen der 4. und 5. Klasse die langweilige Rasenfläche hinter der Schule in ein großartiges Actionparadies mit Weidenbaumzelten, Holzpfählen, Hügeln und sonstigem Schnickschnack umgewandelt. Wichtig ist noch zu erwähnen, dass ich in Mathe und Sport damals fast durchgehend eine 2 hatte. In Sport sogar einmal eine 1. Mein Schulhass konnte sich im Laufe der OS-Zeit nicht zurückentwickeln. Meine neue Klassenlehrerin und ich lehnten uns gegenseitig ab, es blieb in dieser Hinsicht beim alten. Einzige nennenswerte Betätigung lag beim Tischtennisspielen in den Pausen, wobei unsere Klasse die Vormachtsstellung der Tischtennisplatte inne hielt. Der Klassenraum lag direkt neben dem Ausgang, die Tischtennisplatte direkt vor der Tür. Wir waren also als erstes da. Effizienzdenken in der Wegeplanung entstand. Ich schwamm auf der Welle der damaligen Trends mit und probierte mich im Pokémonkartensammeln, Diddlblättertauschen und Center Shock-Essen. Center Shocks finde ich heute noch ganz okay, bei den anderen Sachen war mir der Aufwand, den man betreiben musste um halbwegs eine Sammlung zusammenzuhaben, irgendwie zu groß. In dieser Zeit manifestierten sich meine Knieprobleme und ich durfte laut meinem Orthopäden nicht mehr an meiner geliebten Basketball-AG teilnehmen. Stattdessen wurde ich in den Geschenkebastelkurs abgeschoben. Großer Hass gegen cellophanverpackte Geschenkscheisse, Kitsch und gebastelte Dinge ohne Sinn bildeten sich aus. In dem dreiteiligen A bis C-System der Fächer Englisch und Mathe wurde ich in den Englisch-B- und Mathe-A-Kurs gesteckt. Letzteres ist mein lebenslanger Nachweis dafür, dass mir die Grundrechenarten doch sehr geläufig sind. Im Englisch-B-Kurs schrieb ich die erste 5 meiner Schullaufbahn. Am Ende der OS bekam ich eine Realschulempfehlung. Mein Ego verweigerte aber den Besuch der Mittelschule und so kehrte ich gegen den Willen meiner Klassenlehrerin ins Gymnasium ein. Zwischen der 6. und 7. Klasse wurden irgendwelche Fachräume an der Schule renoviert, leider hab ich vergessen welche. Den Großteil der folgenden Gymnasiumszeit kann man hier nachlesen. Zusammenfassung: Ich wurde Mathe- und Latein-Null, aufgrund meiner Klassenkameraden und Lehrer Misanthrop, Bestieg in Klausuren und meinem Latinum den Gipfel des Felix Krullschen Lebenswandels, lebe nach der Maxime „Nosce te ipsum“ und machte überraschenderweise Abitur. Nach dem Abitur stellte ich fest, dass das Gymnasium renoviert wird. Das Zusatzgebäude bekam ein Stockwerk mehr und der Schulleiter kündigt ab sofort mehr Bausmaßnahmen an. Jetzt komme ich an diese Uni und kann gar nicht fassen, dass hier alles renoviert ist. Hier gibt’s in beinahe jedem Raum Beamer an der Decke. In einem meiner Häupträume besteht sogar die Möglichkeit Vorlesungen über 4 Kameras aufzuzeichnen bzw. übers Internet laufen zu lassen. Und die Heizungen funktionieren, sind abschaltbar und die Fenster lassen sich auch öffnen. Wow.

  • In 14 Jahren Schule wurde ich übrigens kein einziges Mal beim Spicken, Schwänzen oder Abgucken erwischt. Natürlich wird einem öfter mal gesagt man solle in den Arbeiten nicht zum Nachbarn herüberschauen, aber das kommt in den besten Familien vor. In der Oberstufe gab es die vielbeschriebene Situation, dass Lehrer einen zufällig auf der Strasse sehen, obwohl man gerade ihren Kurs „verpasst“ hatte, aber da fielen einem immer wieder Ausreden ein: Zufällig gerade vom Arzt wiedergekommen und Attest vergessen, Kopfschmerzenbeseitigung durch Spaziergang oder ganz beliebt: Studienberatungstermin beim Arbeitsamt.