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Montag, 3. Mai 2010
Hamburg. Teil I. Das Leben geht hier gerade zu schnell. Bloggen braucht bei mir Zeit. Aber es reguliert sich gerade alles. Dieser Eintrag wird zwei oder drei oder vier Teile haben, welche über die nächsten Wochen erscheinen. Da bin ich jetzt. In Hamburg. Als ich so 15/16 war, habe ich Hamburg gehasst. Ich weiß heute nicht mehr so genau warum, aber vielleicht aus dem Grunde, dass ich Berlin damals toll fand und alles andere im Vergleich sowieso scheiße war. Berlin war surreal. Als ostfriesisches Kleinstadt-Mädchen in diese Stadt zu fahren und ihre Wahrzeichen zu sehen und zu merken, dass das alles wirklich existiert ist schon ein großer Schock. Allerdings war ich seit einigen Jahren nicht mehr in Berlin, sondern eher in Hamburg, Vielleicht spielt dieses Argument hier irgendwo eine Rolle. Seitdem sind 5/6 Jahre vergangen und ich wohne nun hier. In Hamburg. Im wunderbaren Hamburg. Im tollen Hamburg. In dieser großartigen Stadt, die sich Großstadt nennt, aber zwischendurch auch als nettes Dorf auftritt. Mittlerweile bin ich mal wieder umgezogen. Mein am Anfang großartiger Mitbewohner kam auf die glorreiche Idee seine Freundin – umgangssprachlich ASB, Asoziale Schlägerbraut, genannt – bei uns wohnen zu lassen. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass eine Person mehr in einem Haus auch mehr Nebenkosten produziert. Mal ganz davon abgesehen, dass ASB mich, wie man an ihrem Namen schon erkennt, nach einiger Zeit unfassbar genervt hat. Aber Ex-Mitbewohner O. wollte das nicht einsehen. Als die Abschläge für Strom stiegen, redete er nicht mehr mit mir. Danach sickerte alles so vor sich hin. Im Endeffekt habe ich pro Monat etwa 70€ weniger bezahlt als ich eigentlich hätte bezahlen sollen und bin dann mit meiner neuen Wohnung noch gut aus der Sache rausgekommen. Aber O. und ASB sind eine andere, längere Geschichte, welche ich noch genauer erzählen werde. Ich bin mittlerweile aus dem „aufsteigenden Wohnviertel“ Bahrenfeld ins Light-Ghetto Horn gezogen und wohne mit Jo., S. ihr seiner kleinen Schwester, und bald Mo. zusammen. Wenn man in Hamburg eine Wohnung sucht, dann ist das eine ziemlich heikle Sache. Von allen freien Wohnung sind ca. 0,5% bezahlbar, in halbwegs guter Lage und halbwegs gutem Zustand. Und dann kommt noch dazu, dass man die meiste Zeit der Wohnungssuche in öffentlichen Verkehrsmitteln verbringt, da man von einem Ende der Stadt ins andere fahren muss. Diese innerstädtischen Weltreisen kannte ich schon vorher, da S. und Jo. in Wandsbek-Gartenstadt wohnten und wir erstmal eine Stunde unterwegs waren, wenn wir uns besuchen wollten. Eine Stunde! So lange braucht man von meiner Heimatstadt Leer nicht mal an die Nordsee, in die nächste Großstadt oder zum ersten Coffeeshop hinter der niederländischen Grenze. Und hier ist man immer noch in der selben Stadt, mit den gleichen Menschen. Selbst meine alte Wohnung ist 50min von hier entfernt. Jedenfalls haben Jo. und ich eigentlich recht knapp vor unseren angekündigten Auszügen am 28.2. begonnen uns auf Wohnungssuche zu begeben. Jo. musste arbeiten und ich Hausarbeiten und Klausuren schreiben. Das Gute bei Wohnungssuchen in Großstädten ist, dass man überall schon mal war, jeden Stadtteil gesehen hat und nebenbei die Linien des ÖPNV auswendig lernt. An einem Tag, dem 23.2., als wir nach einem kompletten Tag der Wohnungssuche abends gegen 19 Uhr die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben hatten, trafen sich Jo. und ich noch zu einer letzten Wohnungsbesichtigung. Ich war von den vorherigen Besichtigungen schon so demotiviert, dass es mir schon den Rest gab, dass wir an der Bushaltestelle in die falsche Richtung liefen und die Wohnung nicht auf Anhieb fanden. Alles war schlecht. Wir finden niemals eine Wohnung. Ich stellte mir schon vor wie ich in maximal einem halben Jahr an Suizid oder Amoklauf sterben würde. Aber dann kamen wir an. An der Wohnung. An der Wohnung unserer Träume. An dieser surrealen Wohnung in Hamburg-Horn. 93m², 4 Zimmer, Holzdielen, frisch renoviert, 810€ warm, nur ein Nebenbewerber. Ich lief durch diese Wohnung und suchte den Haken. Ich hörte dem jungen Paar zu, welches sagte, dass diese Wohnung doch etwas zu groß für sie sei und die Maklerin sich melden sollte, wenn sie kleinere hätte. Meine Antwort war komplette Regungslosigkeit im Wohnzimmer. Hieß das gerade, dass wir die einzigen Bewerber auf diese Wohnung waren? Wir sprachen mit der Maklerin. Der einzige Nachteil waren um die 1500€ Kaution. Aber wir waren zu dritt und die Wohnung zu geil, das müsste sich einrichten lassen. Gottseidank hatten wir unser „Wir sind kompetent, seriös und gutverdienend“-Outfit an und nahmen uns diese für jeden Wohnungssucher mit wenig Einkommen verhassten Selbstauskunftsbogen mit. Jo. faxte diesen am nächsten Tag zur Maklerin. Einerseits hatte ich große Hoffnungen, andererseits hatte ich keine Lust mich darauf zu verlassen. Schon wieder enttäuscht werden? Man stumpft ab bei der Wohnungssuche in Großstädten. Man fühlt sich, als wenn man in einem Slum wohnen würde und niemals die Chance hat eine unverschimmelte, bezahlbare und gut gelegene Wohnung zu bekommen. Welche nicht aus Wellblech besteht. Ich legte mich abends hoffnunglos schlafen mit dem Gedanken nicht aufstehen zu wollen. Gottseidank waren Semesterferien und ich konnte meinem Unmut Zeit einräumen. Um 11h erfüllte mich mein Herz mit Hass. Irgendjemand rief mich an. Ich hasse Anrufer. Kann man nicht einfach E-Mails schreiben? Warum stören einen Leute vor 18 Uhr mit Anrufen? Während ich hassend im Halbschlaf lag, fiel mir plötzlich ein, dass ich meine Mobilfunknummer bei diesen ganzen Bewerbungsformularen für Wohnungen hinterlegt hatte. Was noch schlimmer als frühe Anrufe sind, sind frühe Anrufe von Leuten, welche Bürokratie im Hinterkopf haben. Man muss innerhalb von fünf Sekunden so tun, als wäre man seit Stunden wach. Als wäre man kompetent, seriös, zuverlässig und angezogen. Ich war nichts von alledem. Trotz alledem war ich innerhalb von fünf Sekunden kompetent, seriös und im Geiste angezogen. Die Maklerin. Ihre erste Frage war, ob es mir gut geht. Die zweite Frage, ob sie gerade stört. Nein, nein, alles ist okay. Ja, die Unterlagen hat sie erhalten. Sie spricht das mit der Vermieterin ab. Sie meldet sich. Ja, sehr gut. Vielen Dank. Ja, bis dann. Schönen Tag noch. Ich drehte mich in einem leicht zufriedenen, aber dennoch ungewissenem Gefühl wieder um. Wozu sollte ich aufstehen? Keine Besichtigungtermine. Keine Hoffnung. Zehn Minuten später klingelte mein Mobilfunkgerät. Was? Seriös sein. Die Bettdecke weit entfernt, um verräterisches Rascheln zu vermeiden. Ja? Frau W.? Ja? Euphorie. Ins Kopfkissen beissen. Ende. Anfang. |