Dienstag, 6. September 2005

Interessant.

"In der zitty las ich ein Interview mit einer Einsamkeitsforscherin. Die Dame entspringt einer Universität, nicht meiner Phantasie. Sie sagte, dass das Problem der meisten Menschen nicht die Einsamkeit sei, sondern die Unzufriedenheit mit dem Freundeskreis. Das habe ich mir schon immer gedacht. Dass jeder, der mit einem redet, eigentlich lieber mit jemand anderem reden würde. […] Das Problem der Menschen ist also die niedere Qualität ihrer Freunde. „Interessante Leute kennen lernen!“, denkt da der Student, der morgens auf dem Rennrad starren Blicks in Richtung Bildungsstätte rast. Dort lernt er interessante Leute kennen. Nicht interessant genug: „Interessantere Leute kennen lernen!“ denkt daher der Student, wenn er am Nachmittag zur Sportarena fährt. Dort trifft er Herren von Fairness und Bürgersinn. Doch er rast weiter, Richtung Kneipe: „Noch interessantere Leute kennen lernen!“ Nun trifft er Popstars, Advokaten, Ehrenmänner von Reife und Rang, in Seide gewickelte Damen vom böhmischen Hofe. Doch auch die sind ihm nicht gut genug. Er läuft durch die Strassen seiner Stadt. Er möchte „Strangers in the Night“ pfeifen, doch eine vermummte Gestalt mit einem Kofferradio, aus dem Kurt Weill-Musik klingt, stört ihn bei der Melodiefindung. Plötzlich steht ein gewaltiger Zuber mit kochendem Eisenerz vor ihm, da ruft er: „Gott kennen lernen!“ und stürzt kopfüber in die Glut. Zu seiner Beerdigung kommt kein Mensch, denn er hat immer nur gesucht, und ist nirgendwo geblieben."

Passage aus der Kolumne "Das neue Buch von Enid Blyton: 67 Freunde und die sprichwörtlichen Hummeln im Hintern der Melkkuh der Nation" aus dem Buch "Die Kugeln in unseren Köpfen" von Max Goldt.